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Startenor Nicolai GEDDA die „Stimme der Musik“ und der „unendliche feine Differenzierer“ im Alter von 91 Jahren verstorben

Als «Poet unter den Tenören» wurde er gefeiert, als «the world’s most recorded tenor» bewundert. Wer einen seiner späten Auftritte erlebt hat, fühlte sich an eine vergangene, glanzvolle Epoche des Singens erinnert – es war ein Singen wie im Traum.

Von Beginn an profitierte der Schwede von seinen glänzenden hohen Tönen: einer leichten Höhe – und vor allem mit einem hohen D – Der Plattenproduzent Walter Legge, beeindruckt von Gedda‘s Musikalität und Sprachen, telegrafierte u.a. an Herbert von Karajan: «Habe soeben den größten Mozart-Sänger meines Lebens gehört. Sein Name ist Nicolai Gedda.»

Mit Karajan und Salzburg verbinden Gedda sechs Opernauftritte und acht Konzerte. Im Zuge eines dieser Konzerte zeichnete die einzige österreichische weibliche Kulturkarikaturistin Prof. Winnie Jakob (1927-2012) ihn auch 1968 in Salzburg. Sie bezeichnete ihn als sehr feinfühlig und er war von Winnie‘s Karikaturen sehr angetan. Weitere WIN Karikaturen von GEDDA befinden sich im Original in den Archivsammlungen der Salzburger Festspiele.

Ein tenoraler Superstar wie später die «Drei Tenöre» Pavarotti, Domingo und Carreras wurde er nie, dafür fast immer zu der «Stimme der Musik», die er sang, wie der Kritiker Jürgen Kesting schrieb. Das erreichte er vor allem dank seiner raffinierten Gesangstechnik und seiner sprachlichen Sicherheit. «Geddas Anstrengungen sind darauf gerichtet, Probleme zu lösen; die der meisten Sänger, sie zu umgehen», urteilte der Kritiker Irving Kolodin.

Gedda sei «der vielseitigste Stilist unter allen Tenören der Nachkriegszeit», sagte Kesting zum 85. Geburtstag Geddas der DPA. So habe der Sänger mehr Raritäten im Repertoire als Pavarotti Hauptrollen. Seine Markenzeichen wurden das einschmeichelnd weiche Timbre und eine mühelose, leicht ansprechende Höhe. «Ihr Volumen war gering, die Durch-schlagskraft nicht groß, die Tragfähigkeit hingegen gut, der Umfang außergewöhnlich», schrieb Kesting über die Stimme des jungen Gedda. Überragend sei er im französischen und russischen Fach gewesen – aber auch ein wichtiger Mozart-Tenor, was leider bei seinen Aufnahmen nicht voll zum tragen kam.

Silbrig schimmernd und betörend süß klang Geddas Stimme; bis 2001 hat er in mehr als 100 Rollen auf der Bühne gestanden. Er selbst bezeichnete sich als schüchtern – so war denn der Sänger, der mit der Stimme zu schauspielern verstand, auf der Bühne eher „gehemmt“.

An der Wiener Staatsoper feierte er 1962 als Tamino in der „Zauberflöte“ seinen Einstand, dem weitere 36 Auftritte bis 1977 folgten – 1988 erhielt er zudem den Titel Kammersänger.

Das Geheimnis seiner langen Karriere: Disziplin und das Wissen um die Grenzen der Stimme. Vor zu schweren Rollen in jungen Jahren und allzu vielen Auftritten hat er sich gehütet. Das Leben jener Stars, die von Aufführung zu Aufführung jetten, kritisierte er scharf. «Lässt man dies zur Gewohnheit werden, um möglichst viel Geld zu verdienen, verkürzt man seine Karriere um mindestens zehn Jahre», schrieb Gedda in seiner Autobiografie.

«Leider dient er viel zu wenig als Vorbild», bedauerte Kesting. «Junge Sänger haben sich eingeschworen auf ein Einheits-Espressivo der Generation Carreras und Domingo» – wo Gedda unendlich fein differenzierte. So blieb (und bleibt) er unnachahmlich für die meisten und kaum wieder erreichbar.

Buchtipp: Karajan con Variazioni, Karikaturen, Winnie Jakob, Serie Musik Piper-Schott ISBN 3-7957-8270-8 (Schott)  ISBN 3-492-18270-4 (Piper)

Quellen: APA/DPA/Salzburger Festspiele/STOP/WINart Archiv